Sunday 23 October 2011

Apropos Dünen...

Ich wurde auf dieses wunderbare Gedicht von Franz Hohler aufmerksam gemacht. Aus aktuellem Wanderdünen-Anlass (Fuerteventura) wird das nun hier publiziert. Ich wusste gar nicht, das Franz Hohler so viel Humor in seine Texte gepackt hat! Ich gebe zu, ich bin (noch?) keine große Franz Hohler Kennerin. (Ok, das waren jetzt etwas viele "Ich" in zwei Sätzen...)


Blick aufs weit entfernte und nach links abfließende Meer in Fuerteventura


...wer dringend auf's Klo muss, sollte vielleicht jetzt noch schnell gehen. Der Leserlichkeit halber in größerer Schrift.

Vom Mann, der durch die Wüste ging
Kennt ihr die Geschichte
vom Mann, der durch die Wüste ging
vom reichen, reichen Mann
mit der man die Gerüchte
daß Geld allein schon glücklich macht
sofort zerstreuen kann?


Er ging
er ging
er ging so vor sich her
stundenlang
tagelang
wochenlang
und konnte fast nicht mehr.
Immer nur Wüste, Wüste, Wüste
nichts, das ihm die Wüste versüßte
keine Oase, kein Brunnen, kein Wasser
nicht einmal ein Lappen, ein nasser
kein Wind und kein Sturm, keine drohenden Wolken
kein Trester, kein Schnaps, weder Milken noch Molken
kein Regenpfeifer, kein Wasserstandspegel
kein Grottenolm, keine schleimigen Egel
kein Kugelblitz und keine Hydranten
keine dämlichen, Apfelsaft schlürfenden Tanten
kein Weib, keine Frau und kein Kind und kein Sohn –
in der ganzen Wüste kein einziger  Ton
sondern immer nur Dünen, Dünen, Dünen
nichts zum ihn mit den Dünen versühnen
denn Coca gab's nicht und auch Cola gab's nicht
keine Freiburgerkuh, auf das Melken erpicht
keine Bierbrauerswitwe, kein Flaschengestell
keinen Eisberg, kein glänzendes Seelöwenfell
weder Gletscherstürze noch Wasserfälle
und nicht einmal eine tragbare Quelle!


Und die Sonne war heiß
und die Wüste war groß
und der reiche Mann
war nackt und bloß:
die Schuhe verloren
die Hosen verloren
den Sonnenbrand
bis über die Ohren
eine Zunge wie Stein
die Moskitos am Bein
einen Durst wie ein
ganzer Gesangsverein –


Da sah er plötzlich
schon halb gebraten
mitten in der Wüste
einen
schönen
großen
blanken
schlanken
herrlichen
gar nicht gefährlichen
hehren
rektangulären
eher prismatischen
ganz sympathischen
                         Automaten.


Co .. ca .. Co .. la ..
Coca Cola! Coca Cola!


Der Reiche, vor Freude und Jubel ganz weg
zückte den Füller und schrieb einen Scheck
steckte den Scheck wie der Blitz
in den Schlitz
lautend auf einen Franken
auf jeder beliebigen seiner Banken.
Auf jeder beliebigen seiner Banken!
Dem Automaten waren die Banken egal.
Er war aus Stahl.
Wenn ein Franken fiel, dann machte er "klick!"
doch der Reiche hatte kein Kleingeld bei sick.
Er schrieb einen Scheck auf fünfzig, auf siebzig
auf hundert sogar, aber nichts begibt sich.
Jetzt wurde es ihm in den Ohren schon sausend
er schrieb einen Scheck auf blanke Tausend
verzweifelt schrieb er: EINE MILLION!
Doch was hat er davon, doch was hat er davon?


Keine Coca Cola
nicht einen Schluck
und hinten im Hals
einen würgenden Druck.
Da sank er, ohne zum Abschied zu grüßen
dem Automaten kraftlos zu Füßen
der arme Reiche
und war eine Leiche.


Jetzt kennt ihr die Geschichte
vom Mann, der durch die Wüste ging
vom reichen, reichen Mann
die Wahrheit auch, die schlichte
daß Geld allein nicht glücklich macht
nicht glücklich machen kann.
Lalalalaaa!

(aus: Kabarettbuch, 1987)


Ich hab den Mann übrigens nicht auf Fuerteventura gesehen, muss wohl eine andere Wüste gewesen sein...

Franz Hohler ist noch immer aktiv und auf Tournee. Zum Beispiel am 11. Januar 2012 in der Villa Grunholzer in Uster. Auch seine Website ist ein Besuch wert; so einen Aufbau hab ich noch nie gesehen: http://www.franzhohler.ch



1 comment:

  1. Ist natürlich kein Gedicht, sondern eine (mild sozialkritische) Kabarett-Nummer mit Cello-Begleitung ... ;-)

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